Wir haben die Wahl zwischen ...

Die Redensart spricht von der "Wahl zwischen Pest und Cholera". Ganz so schlimm erscheint mir die Ausgangslage vor der Bundestagswahl im Februar nicht zu sein - aber alle, die dort auf dem Zettel stehen, sind zum Teil extrem angeschlagen und unglaubwürdig. Es fällt schwer zu glauben, dass wir am Ende eine wirklich gute, gesunde und leistungsfähige Regierung kriegen.

Ich bete. Vielleicht hilft das. 

 

Im Übrigen wähle ich jene Partei, mit der ich am Meisten übereinstimme. Ganz oben steht aus meiner Sicht das Klima. Wir Deutschen werden es nicht allein erhalten können, das stimmt - aber je mehr wir mit gutem Beispiel vorangehen und aussenpolitisch für dessen Schutz eintreten, desto mehr werden wir den Menschen weltweit dienen. Schon jetzt sehen wir deutlich, wie sich die Erderwärmung auswirkt. Der Temperaturanstieg, von Menschen gemacht, verursacht mehr Kosten, Leid und Verteilungskämpfe als alles andere. Ja, auch die Wirtschaft ist wichtig - aber sie kann nur Instrument sein, nicht Ziel. Wofür Instrument? Für Elon Musk und Konsorten zum Geldverdienen und letztlich, um Macht ausüben und sich als vermeintliche Elite in Szene zusetzen. Aus meiner Sicht ist eine florierende Wirtschaft mit genügend Steuereinnahmen dagegen wichtig, um den Menschen zu dienen - und gerade auch den Schwachen und Armen. Aber es geht weit hinaus über die bekannten und heiß diskutierten Sozialhilfen. Wir brauchen Einnahmen, um die Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft zu finanzieren. Wir brauchen Ideen und Forschung dazu - und die gibt es nur, wenn die Wirtschaft selbst begreift, dass auch sie mit der Klimaentwicklung steht und fällt. Folglich wähle ich die Partei, die aus meiner Sicht dies am klarsten im Blick hat.

 

Richtig, die Grünen haben Fehler gemacht, manchmal unnütz blockiert und die Reform des s.g. Heizungsgesetzes (das übrigens bereits unter CDU/SPD verabschiedet wurde!) überaus schlecht gemanagt. Trotzdem haben sie Recht: Nur wenn der Umstieg auf regenerative Energie gelingt, haben wir die Chance, die Erderwärmung wenigstens etwas aufzuhalten. Ich fürchte, solche Stimmen werden seit dem Zerbruch der Ampel noch weniger gehört als vorher - auch wenn andere Parteien der s.g. "Mitte" das Thema "Klima" zumindest formal aufgenommen haben. Leider habe ich insgesamt den Eindruck, wir lernen weder von den Wissenschaften noch aus der Geschichte. Der "Religion" wird oft vorgeworfen, ideologisch und dogmatisch geleitet zu sein - für die gegenwärtige Politik erscheint mir dies oft deutlich zutreffender. 

 

Erkennbar, worum es Politikern geht, wird für mich auch am Stil von Politik und ihrem Auftreten. Jeder (halbwegs informierte Mensch) weiß, dass das Leben komplex und kompliziert ist - aber angeboten werden "einfache" Lösungen. Jeder weiß, dass alle zusammenhalten müssen, um die Herausforderungen zu bewältigen - aber selbst wenn man in grundlegenden Fragen eigentlich eins ist, bekämpft man sich bis aufs Messer. Jeder weiß, dass niemand genau weiß, wie es wirklich geht und funktioniert - aber jeder tut so, als habe er oder sie allein den Schlüssel zum Glück in der Hand. Jeder weiß, dass es nicht auf eine Person an der Spitze ankommt, sondern auf das richtige Programm und die richtigen und umsetzbaren  Maßnahmen - aber wir sprechen nur über "Erlösergestalten" an der Spitze und streiten uns um deren Qualifikation.

Ja, natürlich ist auch Letzteres wichtig, Qualifikation. Ich frage deshalb: Wer tritt bescheiden auf? Wer stellt Fragen, ohne gleich alle Antworten zu geben? Wer sieht die Dinge differenziert? Wer orientiert sich an Fakten und nicht an Sprüchen? Wer bietet zukunftsträchtige Lösungen statt einfach nur Neuauflagen von Wohlstandsvorstellungen? Wer orientiert sich an der Realität und fundierter Wissenschaft statt an Umfragen und Wahltaktik? Wem traue ich eine Transformation unserer Gesellschaft - auch im Stil des Miteinander - am ehesten zu? 

 

Fehlt euch die "christliche" Komponente? Etwa: Wer regiert mit dem "C" im Programm? Mal ehrlich, selbst wenn einzelne Politiker und Politikerinnen dies wollen, in den Parteien scheint es keine Rolle zu spielen, auch dann nicht, wenn es im Namen enthalten ist. Viele meiner indischen Freunde schauen immerzu auf die Religionszugehörigkeit und wählen dann (die wenigen) Christen um ihres Christseins willen. Manchmal ist das richtig fatal. Für mich steht die Glaubhaftigkeit der Personen und deren inhaltliches Programm mit den umsetzbaren und praktischen Lösungsvorschlägen im Vordergrund, nicht das Bekenntnis zu einer Religion. Klar, wenn sie bekennende Christen sind - umso besser. Aber das ist Mr. Trump auch und seine evangelikalen Wähler ... Aus meiner Sicht müssen sich vor Gott alle, und zuallererst die "Könige" und Regierenden, an ihren Taten messen lassen und nicht an Worten und Bekenntnissen. Was allerdings nicht bedeutet, dass sie perfekt sein müssen. Auch Politiker sind auf Vergebung angewiesen, auch sie fallen unter die Gnade Gottes. Ich erwarte deshalb keinen übermenschlichen Perfektionismus von unseren Politikern, aber Ehrlichkeit, die Fähigkeit Fehler zuzugeben und aus ihnen zu lernen und eine Leitung im Geist des Evangeliums, also für die Entfaltung des Lebens. Und logisch: Ausländer raus, Germany first, die Bündnisse verlassen, zurück zum Verbrenner und Atom, Schluss mit der Armenhilfe und Begünstigung der Upper-Class ... das ist für mich keine Option auf der Basis meines Glaubens.

 

Noch mehr geistliche Einordnung? Für mich wird es keine perfekte Welt geben. Seit Christus leben wir in der "Endzeit" und das kriegt man eben auch zu spüren. Ein Kennzeichen dieser Zeit ist auch, dass die Polarisierung und Trennung zunimmt. Wir Christen sollten da allerdings gegensteuern, allerdings ohne die Klarheit unserer Positionen zu verlieren. Kompromisse sind nötig - die haben Christen und Kirche immer auch gemacht, damit das Evangelium in die Zeit passt - aber es gibt eben auch "faule" Kompromisse. Die erkennt man m.E. daran, dass nicht Jesu Weise im Umgang mit Menschen, sondern Taktik und Kalkül oder gar Angst unser Handeln leiten. Die Bibel gibt sicher keine Antwort auf alle aktuellen Fragen und ist schon gar kein Anweisungsbuch oder Parteiprogramm zum Lösen politischer Tagespolitik. Aber sie gibt ethisch und mit Blick auf das Menschenbild doch die Richtung vor. Wenn ein biblischer Blickwinkel, vor allem unter dem, "was Christus treibt"  (Luther), dann ins Handeln führt, kann man aus meiner Sicht von Richtungskompetenz reden. Für mich hat dann der Geist Jesu gewirkt (= Heiliger Geist) - egal, welchem Bekenntnis der Politiker oder die Politikerin angehört. Mit unserem Reformator glaube ich eben, dass Gott auch mit, an und durch Obrigkeit handelt.

 

Noch etwas: Ich bin bei Facebook. Aber ich überlege, mich abzumelden. In welcher Welt leben wir eigentlich? Sprüche, Zynismus, Fakes, Dummheiten ... ich kann es bald nicht mehr ertragen. Oft wollte ich etwas kommentieren, habe es jedoch wieder gelöscht. So kann man doch keinen Dialog führen! Es werden nur Sprüche um die Ohren gehauen und die wenigen Sachinfos gehen völlig unter ... Wie gut, dass wir die Freiheit haben, auszusteigen. Ich ziehe mich zurück ins Private, lass die anderen machen ... ich kann ja doch nichts tun. Zudem bin ich in Rente und niemand wartet ausgerechnet auf mich als Mitgestalter. 

 

Ja, so geht es mir manchmal durch den Kopf. Aber dann kommt ein deutliches: "Nein!" Solange mich mein Gott noch in diese Welt stellt, bin ich auch für sie mitverantwortlich. Zum Glück nur ein bisschen ... in meinem Bereich. 

Also gehe ich wählen. Im Wissen, dass ich nicht optimal wählen kann und werde - mal ganz abgesehen von erforderlichen Koalitionen. Ich hoffe, dass ich am Ende nicht  zwischen "Pest und Cholera" wählen muss (beides sind tödliche Krankheiten und damit passend zum hitzigen Wahlkampf ). Vielleicht kann ich ja auch einfach nur einen "Schnupfen" wählen.

 

Gerne komme ich mit euch über das Gelesene ins Gespräch. Aber nicht über Facebook! Schreibt mir lieber hier eine E-Mail oder ruft an. Danke für's Lesen und eine gute Wahl!